Kultur Forum – Gedanken um einen Ort


Was, wenn nichts mehr übrig bleibt?

Es gibt sie, diese Orte, an denen der Mensch eher ein unerwünschtes Muss als ein geladener Gast zu sein scheint. In Berlin ist ein solcher Ort das Kulturforum.

Kultur und Forum. Kultur ist bereits jede Menge dort. Museen, Bibliotheken und Konzertsäle reihen sich um den Ort. Sie sind untergebracht in Ikonen der Architektur, die jedes für sich, wie Solitäre in der Gegend herumstehen. Kein Gebäude nimmt wirklichen Bezug zum anderen. Noch nicht mal die Eingänge sind aufeinander bezogen. Ich stehe mitten auf der Freifläche, an der Potsdamer Straße. Vor mir auf der anderen Seite dieser 6-spurigen Schneise steht die Staatsbibliothek von Hans Scharoun, zu meiner Linken Scharouns Philharmonie und der Kammermusiksaal mit ihren golden schimmernden Fassaden. Beide Berühmtheiten der organischen Architektur. Hinter mir die Gemäldegalerie mit Kunstbibliothek, Kunstgewerbemuseum und Kupferstichkabinett. Erreichbar über die überdimensionierte Piazzetta, eine komplett gepflasterte Fläche mit einer 6%-igen Neigung. Das Muster der Pflasterung ist das Ergebnis eines künstlerischen Wettbewerbs von 1984, den der Künstler Heinz Mack gewann. Es soll aus der Luft gesehen ein markantes Muster zeigen. Ich frage mich, welcher Museumsbesucher das Vergnügen hat, mit einem Hubschrauber zu kommen, um sich das Muster vollends ansehen zu können? Obwohl der Hubschrauber, zumindest bei schlechtem Wetter, eine gute Alternative zum eigentlichen Begehen wäre. Denn die Granitplatten werden bei kleinstem Regen zu einer gefährlichen Angelegenheit.

Rechts hinter mir befindet sich die neoromanische St. Matthäus-Kirche aus Backstein, die 1844 nach einem Entwurf von Friedrich August Stüler gebaut wurde. Der Rundumblick wird beendet mit der Neuen Nationalgalerie von Ludwig Mies von der Rohe (rechts neben mir) in ihrer lichten Stahl-Glas Konstruktion. Wegen ihr bin ich hier. Sie soll um einen Erweiterungsbau, dem Museum für das 20. Jahrhundert, M20 im Volksmund, ergänzt werden.

Der Realisierungswettbewerb ist entschieden.

Eine neue Hoffnung für das Forum? Vielleicht ist diese Ansammlung von Kulturgebäuden schon als Forum zu bezeichnen, doch was ist mit dem Besucher? Bisher bietet sich keine Möglichkeit für ihn, sich hier aufzuhalten. Es gibt weder Begegnungszonen noch Bänke. Weder atmosphärische, zugängliche Aufenthaltsbereiche noch Cafe´s oder Restaurants laden an diesem Ort zum Verweilen ein. Das aber genau sollte ein Forum doch tun. Es sollte der Begegnung, dem Austausch, der Diskussion dienen. Vor allem, weil dieser Ort mal als richtiges Forum vorgesehen war. Der Masterplan beinhaltet die Maßgabe, den öffentlichen Raum aufzuwerten. «Mehr Attraktivität und Aufenthaltsqualität sollen Gastronomie und ein Besucherzentrum schaffen.»[1] Bei der bisherigen Umsetzung des Planes blieb aber kein Gedanke für das Bedürfnis des Besuchers eines Forums mehr übrig.

Die weitere Planungsgeschichte kann dies ändern.

Enthusiastisch schaue ich mir die Wettbewerbsentwürfe an. Doch meine gute Stimmung verblasst schnell. Kubische, strenge, übereinandergestapelte, aneinandergereihte, hauptsächlich einfallslose Riegel werden präsentiert. Türme bis zu 60 m Höhe oder Entwürfe, die in die Erde vergraben wurden. Die Freiflächen sind nur spärlich betrachtet. Mittendrin eine gewellte begehbare Dachfläche von Sou Fujimoto Architects aus Tokio oder ein weiterer Snøhetta Entwurf mit einer für das Büro bekannte, begehbare Stufen-Dachlandschaft. Doch trotzdem, dass sie die Freifläche für ihre Besucher gestalten, finden sie keine Lösung für das Gesamtgelände des Forums.

Das Büro von Max Dudler präsentiert einen Entwurf, der eher dem Gebäude des Bundesnachrichtendienstes ähnelt. Provokant erscheint der Entwurf von OMA. Er stellt einen «Rautenhügel» dar, mit der Plakatbeschriftung «Wer hat Angst vor Mies oder Scharoun?»[2]

Ich suche die Arbeit von gmp-architekten. Hatte doch Volkwin Marg vor nicht allzu langer Zeit die Idee der Unterführung der Potsdamer Straße, um den Ort mehr Aufenthaltsqualität zu schenken. Toll, dachte ich damals, wie in Düsseldorf. Die Stadtvertreter haben durch die Untertunnelung der Straßenführung am Rhein eine enorme Aufenthaltsqualität für den Bürger geschaffen. Doch nichts davon ist in diesem Entwurf von gmp zu sehen.

Hat denn die Kollegschaft der Stararchitekten keine wirkliche Idee für Berlin übrig?

Vielleicht doch, und ihnen stehen nur die neuen Wettbewerbsregeln im Wege? Diese bedeuten den sofortigen Ausschluss der Arbeiten, wenn sich die Teilnehmer nicht an die Vorgaben der Auslobung halten.

Es bleibt kein Platz für mutige Ideen übrig.

Als letztes präsentiert sich der Siegerentwurf. Die Leitidee des Entwurfes von Herzog & de Meuron beginnt mit der Frage «Ein Haus für die Kunst des 20. Jahrhunderts?» Unbeirrt schließt deren Antwort an: «Ja, EIN HAUS, ganz direkt und konkret»[3]. Weiter heißt es, die perfekte abstrakte Form habe vorweg Mies benutzt. Selbst die spielerischen seien bereits verwendet, von Scharoun. Also was bleibt?

Eine Lagerhalle für das Lagern von Kunst? Ein Schuppen?

Völlig ungegliedert erstreckt sich dieser über das gesamte Gelände, den Platz regelrecht erdrückend. Da hilft auch das gitterartige Kleid aus versetzt gemauerten Backsteinen nicht weiter, das bei der Londoner Tate Gallery oder der Elbphilharmonie durch die Gebäudeformen lebendig wirkt. Aber als Schuppen verbaut? Mit Kreuzungswegen in seinem Innern, deren Lichtspiegelung nur aus der Luft zu erkennen ist? Also zurück zum Hubschrauber? Dann bleibt dem Besucher in Zukunft weiterhin nur die Möglichkeit möglichst schnell von diesem Ort zu flüchten. Jetzt wünsche ich mir, dass nichts von dem mehr übrig bleibt.

Andrea Schmidt

[1] Auslobungstext zum Realisierungswettbewerb, Teil A, Seite 6
[2] Entwurfsbeschreibung Wettbewerbsbeitrag von OMA, Rem Kohlhaas
[3] Entwurfsbeschreibung Wettbewerbsbeitrag von Herzog & de Meuron

Der Text ist erschienen in der Zeitschrift mensch+architektur Nr. 89|90


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