Im Atelier des Meisters


 

Es ist Frühling und trotzdem friere ich. In der ungemütlichen Kälte und dem Wind warte ich gemeinsam mit dem Vorstand der Hans Scharoun Gesellschaft in einem der Hauseingänge des Heilmannrings auf einen ehemaligen Mitarbeiter von Hans Scharoun. Haus-Nr. 66a. Der Hauseingang ist schmal, fast schon versperren wir 2 Personen den Bewohnern den Weg.

Ich habe die Ehre, das ehemalige Atelier und gleichzeitige Wohnung von Hans Scharoun zu betreten. Hier lebte und arbeitete der Architekt der Moderne bis zu seinem Tod im Jahre 1972 mit seiner 2. Ehefrau Frau von Plato. An der Türklingel steht immer noch sein Name. Der ehemalige Eigentümer des Wohnkomplexes Heilmannring beließ das Atelier im DG fast unberührt.

Klingelschild

 

 

 

Gespannt steige ich das gelbe Treppenhaus bis in die 8. Etage hinauf. Das erstaunlich bequeme Treppenmaß lässt mich beschwingt bis ganz nach oben steigen. Typisch für Scharoun, die Bullaugen in den Außenwänden, zusammen mit dem Gelb wirkt der Raum direkt warm, obwohl es sich um einen alten, mit der Zeit etwas heruntergekommenen sozialen Wohnungsbau handelt. Scharoun hat ihn selbst gebaut. Er lebte gerne zwischen den „normalen“ Menschen in einem seiner eigenen Gebäude.

Ob die Menschen hier in diesem Haus wissen, welches Denkmal sie bewohnen?

 

Treppenh

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Hans Scharoun, geb. 1893, war ein Architekt, der seine Umgebung wahrlich reflektierte. Er suchte das Wesentliche in den Dingen. Seine Entwürfe begründete er oft mit tiefgründigen architekturphilosophischen Ausführungen: „so ist der Raum, in dem wir leben –seinem Sinn und Wesen nach- nicht statischer sondern dynamischer Natur.“ Scharoun, für manche ein Expressionist, galt als Vertreter der organischen Architektur. Er war Mitglied der Architektenvereinigung „Der Ring“, der fast alle bedeutenden deutschen Architekten angehörten. Sein bekanntester Bau ist wohl die Philharmonie in Berlin.

Die Türe zum Atelier wird aufgeschlossen.

Als erstes sehe ich mich selbst in einem rahmenlosen einfachen Spiegel, der an einem „Bullauge“ in einem halbrunden Ausschnitt angepasst wurde. Gold ist die Glasscheibe, für die der Spiegel ausgeschnitten wurde. Später erkenne ich, dass das Bullauge zur Belichtung des dahinter liegenden Badezimmers dient. Im Bad wirkt es wie eine Sonne.

Links von mir schaue ich durch eine schmale Türe in die Küche hinein. Ein Wasserkessel steht auf dem Herd, die Regale sind noch eingeräumt mit Kaffekanne, Tassen und einem alten Toaster. Wundervoll diese Zeitlosigkeit der Dinge der Moderne. Ich liebe dieses Design und kann verstehen, dass sie immer noch heiß begehrt und bewundert werden.

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Rechts gehe ich weiter in die Atelierräume, oder besser den Atelierraum. Es ist ein einziger offener Raum in Form eines L´s. Ein Bereich ist durch einen schwarzweiß gestreiften Vorhang teilweise abgetrennt. Der erste Eindruck ist eher schmuddelig, oder auch schmutzig, leblos und leer.

Nun denn, was habe ich erwartet? Schließlich wird die Wohnung seit 1984 nach dem Tod von Frau von Plato nicht mehr benutzt.

Der gut gekleidete Herr, der nach mir den Raum betritt ist der ehemaliger Mitarbeiter von Scharoun, Herr Reidemeister. „Hier standen früher überall Bücher“ meinte er und zeigte auf das eingebaute Regal. „Hier hinten haben wir gesessen. Scharoun blieb nachts lange wach und arbeitete. Dadurch war ein echter Spätaufsteher.“

Es stehen zwei Tische mit jeweils zwei Stühle dort. Egon Eiermann Möbel. Das Einbauregal ist so gut wie leer geräumt. Ein eingebauter Pflanztrog aus Beton ist ebenfalls bis auf die Steine leer. Die Räume wirken klein, ca. 45-50 qm (leider habe ich versäumt nach der genauen Größe zu fragen).

An einer Wand hängen im kleineren Format verschiedene Fotos von Scharoun in seinen Räumen. Auf ihnen ist zu sehen, wie voll die Räume einst waren. Sie boten Platz für mehrere Schreibtische, Sofas, Pflanzen, Accessoires und jede Menge Bücher. Ich kann mir gut vorstellen, wie alle damals hier diskutierten und dabei dicke Zigarren rauchten.

So viele Farben auf kleinem Raum.

Ich laufe durch die leeren Räumlichkeiten. Die Formensprache ist einfach schön, eine leicht gebogene Decke, zur Nordseite eine große Fensterfront. In diesem Bereich des Raumes sind die Wände und die Decke weiß gestrichen. Herr Reidemeister erzählte, dass die Decke früher hellgrau war. Im anderen Bereich ist die Decke leicht abgehangen, hier ist sie noch in ihrer Originalfarbe Schwarz.

Die Wände sind in einem tiefen Blau. Der Versprung der Decke ist in hellblau gestrichen, angrenzend zu einem tiefen Rot als Hintergrundfarbe des braunen Holzregals. Blau, hellblau, dunkelrot, schwarz, grau, braun, weiß… so viele Farben auf so kleinem Raum und alle harmonieren sehr gut miteinander. Doch irgendwie wirken auch sie leblos. In den Abbildungen der veröffentlichten Publikationen in meinem Architekturbüro strahlen die Farben viel mehr. Ich wundere mich darüber, und dachte enttäuscht „schade, selbst solche Bilder werden bearbeitet“.  Doch als ich dann die eingebaute Holztüre leicht zur Seite schiebe, entdecke ich hinter ihr eine Fläche mit einem strahlenden Blau. Alle Räume sind lichtdurchflutet, d.h. die Farben sind durch die Sonneinstrahlung über die Jahre verblichen. Und diese strahlend blaue Fläche war die ganze Zeit vor dem Sonnenlicht geschützt.

Ich gehe weiter. Der farbenfrohe Raum führt über einen kleinen Versprung in der Außenwand in den größeren weißen Raumbereich. Der Übergang wird durch eine von Scharoun entworfene „Einbau-Glasvitrine“ geschmückt. Sie scheint in die Wand hineinzutreten, obwohl sie auf der Wand hängt. Ihre Glastüre schließt fast gleich mit dem Rahmen auf eine außergewöhnlich spitze Ecke ab. Farbige Gläser sind zu sehen.

Von dem großen weißen Raum führt eine Türe zur Dachterrasse. Von hier hat man eine Sicht auf die gesamte Wohnsiedlung. Eines der vielen Werke von Hans Scharoun.

An der hinteren abschließenden schmalen Wand steht ein alter verlassener Schreibtisch.
Davor folgt der Durchgang zur Küche. Links und Rechts des Durchganges befinden sich
Bad und GästeWC.

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Einer der Besucher spricht von einem kleinen Labyrinth.

Der Besuch des Ateliers wird zu einem wirklichen und einmaligen Erlebnis durch Herrn Reidemeister, als er anfängt sich an die alten Geschichten zu erinnern. Er beschreibt wie hier früher gearbeitet, diskutiert und geplaudert wurde. Er war damals selbst noch Student. Herrlich, wie er die Zeit beschreibt. Welche Aufgaben und Hürden zur Realisierung der Architekturgestalt zu bewältigen waren. Hatte sich Scharoun doch nie an die jeweiligen Moden angepasst, sondern beharrlich seine Erkenntnisse verteidigt. Er entwickelte seine Gebäude von innen nach außen heraus. Das bedeutet, dass sich die äußere Form zwangsläufig oder zwangsfrei wie auch immer man es sagen möchte, ergab.

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Das Atelier öffnet zum Tag des offenen Denkmals am 12.+13.0915 seine Türen

Zum Abschluss der Besichtigung gab der Vertreter des jetzigen Eigentümers des Gebäudekomplexes bekannt, dass das Atelier als Denkmal bewahrt bleiben, und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll.

Es ist geplant, gemeinsam mit der Hans Scharoun Gesellschaft das Atelier wieder etwas herzurichten, so dass seine Türen im September 2015 zum Tag des offenen Denkmals zum ersten Mal für alle zugänglich ist. Es lohnt sich für alle Architekturinteressierte, denn an beiden Tagen wird Herr Suchin Vorort sein, ein Architekt, der ein unglaubliches Wissen über die Projekte von Scharoun besitzt, fast schon wie ein wandelndes Lexikon. Und mindestens an einem der beiden Tage wird auch Herr Reidemeister Vorort sein. Dann kann man seine Geschichten selbst erleben.

Hier nochmal die genaue Adresse:

Atelierwohnung Hans Scharoun
Heilmannring 66A, 13627 Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf
Öffnungszeiten am Tag des offenen Denkmals in 2016 am 10.+11. September von 11 – 16 Uhr (sonst nicht geöffnet)

Ich wünsche dabei viel Spaß

Kun Ya Andrea Schmidt


 

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