Eine Stadt für Menschen


Architektur ist eine sozialräumliche Kunst“ sagte der amerikanische Stadtsoziologe Robert E. Park* Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Das bedeutet, die Beurteilung von Stadt und Stadtraum beinhaltet immer auch einen subjektiven Aspekt. Jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung und sein persönliches Erleben von Stadtraum. Es besteht eine Beziehung zwischen Stadt und Mensch, die nicht nur eine rationale Wirkung im Sinne des Schönfindens oder Nicht-Schönfindens hat, sondern auch eine starke emotionale Wirkung. Stadt beeinflusst unmittelbar, sie kann anziehend und ansprechend wirken, sie kann frei und glücklich machen, sie kann stärkend und fördernd wirken, sie kann aber auch schwächend, einschüchternd, ängstigend oder bedrohlich wirken.

Bereits Aristoteles stellte fest, dass Städte so entworfen werden müssen, dass nicht nur deren Plan und Ordnung sondern auch ein glückliches Leben der Bewohner gewährleistet wird. Dies bedeutet eine Ausrichtung auf Zufriedenheit und Harmonie.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist Stadtplanung bzw. Stadtgestaltung aufgefordert, eine Synthese von Mensch und gebauter Umwelt herzustellen, und neben dem ökologischen, dem kulturellen und dem sozialen Verständnis lebensbezogene, seelische, geistige und spirituelle Bedürfnisse des Menschen und des Ortes zu integrieren.

Eine Stadt für den Menschen.

Begriffe wie Ganzheitlichkeit oder Nachhaltigkeit, so wie sie zurzeit in der Stadtplanung genutzt werden, müssen dahingehend vervollständigt werden. Das erfordert besondere Vorgehensweisen bei der Gestaltung und Realisierung von Projekten und die Integration von Aspekten jenseits des bisherigen Erkenntnisstandes. Grenzen von Rationalität und sogar Emotionalität werden durch das Ergründen des Spirituellen, scheinbar Unbegreiflichen erweitert.

Diese integrale Betrachtung von Stadt verlangt einen Bewusstwerdungsprozess, in dem Wissen entsprechend „transdisziplinär“ erarbeitet werden muss. Dieser Begriff wird bei Jürgen Mittelstraß im Zusammenhang mit der Einführung einer Unterscheidung von Verfügungs- und Orientierungswissen als Beschreibung und Beurteilung interdisziplinärer Arbeit genannt. Während Verfügungswissen technisches Können des Menschen steigert und sich auf immer weitere Bereiche ausdehnt, handelt es sich bei Orientierungswissen um reflektives, handlungsorientiertes Wissen.

Es (Das Verfügungswissen) beantwortet Fragen nach dem, was wir tun können, aber nicht Fragen nach dem was wir tun sollen. Also muss zum positiven Wissen ein handlungsorientiertes Wissen, eben das Orientierungswissen hinzutreten, das diese Aufgabe übernimmt.“ **

Die Erarbeitung von Verfügungs- und Orientierungswissen hat in einem integralen Prozess zu erfolgen. In seinem Buch „Das Tao der Stadt“ beschreibt Carl Fingerhut die Sinnlichkeit von Stadt und führt sogar die integrale Bewusstheit ein. Doch wie erlangt man ein integrales Bewusstsein? Wie erhalte ich eine Wahrnehmung für Zusammenhänge und für Energiestrukturen? Wie gelange ich von der Beschreibung zur Erfahrung zur Architekturgestalt?

Dies geht über gutes Beobachten, über Achtsamkeit und Meditation. Meditation versetzt uns in die Lage, Energien zu erkennen, sie in ihrer Konstruktion, Ausdehnung und Wirkung wahrzunehmen und sie handzuhaben. Das ist ein Lernprozess indem Wissen Schritt für Schritt generiert wird.

Ich stelle mir gerne manchmal vor, dass sich mehr Architekten und Planer diese Mühe machen würden. Dann gäbe es viel weniger schlechte Orte, die Unbehagen auslösen, Plätze, die vor Reißbrett-Kühlheit nicht genutzt werden können, Städte, in denen Nutzer und Nutzung nicht zusammenfinden, Räume, die uns erkranken lassen usw.

Meditation versetzt einen in die Lage, die Beziehung von Mensch und Stadtraum harmonisch und glücklich zu gestalten.

Was für eine schöne Vorstellung.

Und doch brauchen wir nur in die Vergangenheit unserer Kultur zurückgehen. Die ersten Baumeister haben so gebaut, für Feng Shui – Meister war dies selbstverständlich. Architektur galt in allen Kulturen als ein Abbild des Kosmos. Es wurde die Erde geehrt, der Bau sorgfältig und wertschätzend errichtet, Stadt funktional und geomantisch, energetisch ausgerichtet und geortet angelegt. Erde an sich, Sonne und Sterne hatten für Architektur eine Bedeutung. Was denkst du, warum ist die Altstadt in Städten so beliebt? Warum zieht es Menschen mehr in Altbauwohnungen?

Ich bleibe bei meiner Vorstellung einer Stadt für Menschen, die durch Bewusstheit, Wertschätzung und Respekt vor dem Material, der Umgebung und dem Menschen geschaffen ist.

Mehr Informationen zur Meditation findest du hier:  Zentrum für Kan Yu  | Integrale Vision

 


*Robert E. Parker und W. Burgess, The City, 1925
**Jürgen Mittelstraß, Glanz und Elend der Geistenwissenschaften, in: G.Kühne-Bertram, H.-U. Lessing, V. Steenblock: Kultur verstehen. Zur Geschichte und Theorie der Geisteswissenschaften, Würzburg 2003, S. 35-49
*** Fotocredit: Christian Battaglia on unsplash

 


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